Verfasst von: jvonbock | 09/03/2013

Auf dem Atlantik

Den Atlantik überquert man halt nicht mal eben mit Links… Das habt Ihr, liebe Leserinnen und Leser unseres Blogs, bestimmt schon anhand der etwas knappen letzten Einträge von uns gemutmaßt. Wir kämpfen aktuell ein bisschen mit der Umstellung in unser neues Wachsystem ‚Motherwatch‘. Drei Wachen sind eingeteilt, jeden Tag abwechselnd ist eine Wache ausschließlich für die Backschaft (nautisch für kochen und putzen) zuständig. Die beiden anderen Wachen übernehmen derweil das Fahren unserer ESPRIT, und das in folgender Zeiteinteilung: von 0 bis 4 Uhr, von 4 bi 8 Uhr, von 8 bis 13 Uhr, von 13 bis 19 und von 19 bis 24 Uhr. Dieser Rhythmus löst wirklich jeden uns bekannten Alltagsrhythmus auf und führt in der Eingewöhnungsphase doch zu der ein oder anderen fehlenden Stunde Schlaf…

Fast nebenbei haben wir dabei in den letzten Tagen unseren ersten und hoffentlich auch letzten atlantischen Sturm abgeritten. Nachdem wir uns noch in Bermuda im Hafen mit den relevanten Sturmutensilien vertraut gemacht hatten, konnten wir dieses Wissen gleich am Mittwoch in die Tat umsetzen. Die Seeschlagblenden wurden angebracht, der Schoner erhielt sein Sturmkleid, der Sturmklüver wurde zur Standardausstattung und auch die Schlepptrosse wurde bereit gelegt. Wir haben uns sehr gut vorbereitet, denn, so unser Skipper, der Seemann ist nicht nur geizig sondern sollte auch Rasmus immer einen Schritt voraus sein. Das war auch gut. Die Spitze des Windanzeigers war kurzzeitig mit 10 Beaufort sehr beeindruckend, und die große Welle, die ins Cockpit schwappte und einen Fisch hinterließ, hat auch für viel Gesprächsstoff an Bord gesorgt.

Im Laufe des Donnerstags beruhigte sich das Wetter wieder ein bisschen, so dass alle etwas durchschnaufen können: Schiff und Crew haben die Situation prima gemeistert und sind wohlauf. Das gilt auch für Mark, unser 14. Crewmitglied, und alle Kuscheltiere und Fledermäuse, die sonst noch an Bord sind.

Aber der Atlantik hat nicht nur aufregendes Wetter zu bieten, sondern auch des nächtens eigenartige Schiffsbegegnungen. Das, was wir heute Nacht sahen, sehr groß, sehr flach und ohne nautische Beleuchtung, gab sogar unserem Kapitän und Reiseleiter Rätselraten auf. Schließlich tippten wir auf einen Flugzeugträger in geheimer Mission, den wir in ca. 2 Meilen an Steuerbord liegenließen.

Jetzt genießen wir gerade Café und Sonnenschein (leider ohne leckere Teilchen) im Cockpit und bestaunen die beeindruckenden Atlantikwellen und hoffen auf selbstgefangenen Thunfisch zum Abendessen. Unsere Angler aber bauen vor: die eine Leine sei kurz, die andere zu dünn… Wir werden sehen, ob wir doch wieder auf einen im Cockpit gefundenen fliegenden Fisch zurückgreifen müssen. Wir haben ja noch etwas Zeit bis zu den Azoren, heute sind es noch etwa 1.500 Seemeilen, und wenn alles so geschieht wie geplant, wird uns das Tiefdruckgebiet mit seinen jetzt gemäßigten Winden wie eine Lokomotive in Richtung Azoren mitnehmen. Apropos Lokomotive: heute geht mal eine Flaschenpost von ESPRIT aus auf die Reise.

Wünscht uns weiterhin gewogene Winde!


Antworten

  1. Ihr tapferen Seeleute!
    Seit ich von Bord bin, gucke ich mindestens drei mal am Tag, wo ihr so steckt. Windstärke 10 und dann auch noch Motherwatch – Respekt! Da hatten wir es ja fast gemütlich! Jetzt, nach ein paar Tagen auf festem Boden und in einem für Bordverhältnisse geradezu riesigen 1,40 x 2 m Bett samt individuell gestaltbarer Lüftung und Temperatur, kommt bei mir so langsam an, was für eine tolle Reise ich erleben durfte. Was für zwei Wochen fast selbstverständlich war, wird erst zum richtigen Abenteuer, wenn man den sehnsüchtig Daheimgebliebenen davon erzählen kann. Auch nach Hause kommen ist schön!
    Wenn nun bei Euch an Bord Gebliebenen und neu hinzu Gekommenen der Sturm ein bisschen nachlässt, ergibt sich vielleicht auch die Muße, sich leckere Teilchen zum Frühstück zu backen, dass wünsche ich Euch jedenfalls sehr! Auf jeden Fall bin ich schon mal beruhigt, dass wieder über Fischen nachgedacht wird, das heisst, es sind wieder Hände frei für andere Dinge außer „eine Hand für’s Schiff und eine für die eigene Sicherheit“!
    Gut back und Petri heil wünscht Euch Killi

  2. Liebe Esprit-Crew,
    die Dächer um uns herum puderzuckerweiß, Flocken wirbeln durch die Luft… das Hamburger Wetter versucht mitzuhalten und uns die von der Reise gewohnte Abwechslung zu bieten: zwei Tage 15° und Sonnenschein, dann 7° und nun auch noch das Schneegestöber. Hier bleibt man dann einfach im Bett liegen, kocht noch einen weiteren Tee und liest schön Zeitung. Nachts geweckt wird man nur vom kleinen Patenkind, das nach einer Flasche Milch verlangt und den Fisch kauft man einfach auf dem Markt.
    Noch sind unsere Erinnerungen ganz frisch und wir beneiden euch um das weitergehende Abenteuer. Genießt es!

  3. Wenn ich mir Euren Track so anschaue frage ich mich ja wofür wir vor Bermuda diese Halse gefahren sind, um nach Norden abzubiegen. Geradeaus weiter hätte genau auf Euren jetzigen Kurs geführt;-)

    Bei mir schwankt mittlerweile das Bett morgens nicht mehr ganz so stark und der Alltag holt mich ziemlich wieder ein. Doch die Erinnerung an fliegende Fische, frisch gebackenes Brot und Salon Sylke bleibt.

    Euch eine gute Fahrt, verbunden mit der Hoffnung, dass die Bäckerei auch bei Windstärke 10 noch zuverlässig arbeitet.

    Herzlichst
    Skippi a.D. J.

    P.S. Der Tracker hat auf Eurer letzten Position 12 kn über Grund gemeldet. Respekt!

  4. @ Ostseetiger: Wetten, Du hast Dich (heimlich) mächtig über die riesige Atlantikwelle gefreut? Hoffentlich haben Dir keine Glutenunverträglichkeitsattaken den Sturm vermiest…;) und Du bist auch sonst wohlauf! Grüß‘ Skipper & Crew und knusper Mark nicht auf!
    Ein Hirsekörnchen drück Dich

  5. Ihr Lieben, sehr doll tapferen Seeleute, das klingt, als hättet Ihr Euch gewogene Winde echt verdient. *daumendrück*. Ich sitze hier mit Snoopy und wir haben eine Riesenportion atlantische Fischstäbchen auf Euer Wohl verdrückt (demnach müsste das Wetter sensationell gut werden). Draußen ist fieses, nasses Schneegestöber. Snoopy stellt fest, dass Turnschuhe dafür ungeeignet sind und beschwert sich, dass ihr das niemand vorher gesagt hat. ;)) … Im Fenster brennt die Kerze und leuchtet hoffentlich weit. Dass Ihr ohne süsse Teilchen zum Frühstück auskommen müsst, finden wir doof. Wir versprechen, wir backen welche, wenn Ihr wieder ordentlich zuhause seid. Findet gut Euren Weg hoch zum 38sten Breitengrad mit der avisierten Lokomotive. Wir denken doll an Euch. Grüße und Küsse von zwei Heimathafen-Liegern

  6. „Motherwatch“ mit 3 Wachen; welcher „Heini“ hat sich das denn wieder
    ausgedacht? Was soll der Vorteil sein?
    (weniger Schlaf?, mehr frustierte Trainees?)
    Es tut mir leid, aber ich verstehe den Schwachsinn nicht.
    Mit 4 Wachen wäre es annehmbar.
    Auf der DomRep-Tour ist es nach 3 Tagen abgesetzt worden
    und es wurde das normale 4-4-6-6-4 System gefahren.
    Im Nachhinein waren alle froh.


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